Liebe Frau Botschafterin Schulz, Sie sind als Berufspatin bei Berliner Schulpate aktiv. Was hat Sie damals bewogen, diese Idee zu unterstützen?

Ich arbeite schon seit ungefähr 10 Jahren mit älteren Schüler*innen und zeige ihnen mein Handwerk. Irgendwann hörte ich von Berliner Schulpate und dachte mir, dass es eine gute Idee sei, Kindern schon in der Grundschule Berufe nahe zu bringen. Das wollte ich unterstützen. Und auch mein Handwerk selbst will ich damit unterstützen. Das Handwerk an sich ist vom Aussterben bedroht. Den Beruf Konditor*in kennt man zwar, nur wem ist das große Tätigkeitsfeld bekannt?

Ich liebe meinen Beruf worüber ich sehr froh bin. Und diese Liebe und Begeisterung möchte ich an die Kinder weitergeben, auch weil ich annehme, dass viele Eltern ihre Arbeit nicht mögen, sie sie aber tun müssen, weil sie Geld verdienen müssen.

Was halten Sie von dem Konzept, bereits Grundschulkindern ab der vierten/ fünften Klasse Berufsbilder vorzustellen? Manche halten das für zu früh.

Zu früh? Auf gar keinen Fall. Von mir aus sollte man schon in der Kita anfangen. Den Kita-Kindern erzählt man, welche Tiere es auf dem Bauernhof gibt. Warum erklärt man ihnen nicht auch schon, welche Berufe es gibt und wie alles zusammenhängt? Damit ich einen Kuchen backen kann, brauche ich zum Beispiel Mehl. Das stellt der Müller her. Wobei den Beruf des Müllers kennt vielleicht auch kaum einer mehr. Davor muss das Getreide angebaut werden, das macht der Landwirt, usw.

Wann haben Sie entschieden Konditorin zu werden?

Das war, ehrlich gesagt, eher ein Zufall. Nach der Schule wusste ich nicht, was ich werden sollte. So bin ich ein Jahr nach England gegangen und habe dort in einem Internat mit Kindern gearbeitet. Danach begann ich eine Ausbildung als Biologisch-Technische Assistentin. Das ging gar nicht und ich habe die Ausbildung nach zwei Monaten abgebrochen. Im Berufe Aktuell-Buch blieb ich bei „K“ hängen. Kindergärtnerin konnte ich mir vorstellen oder Konditorin. Ich mag gerne Süßes. Ich habe mich beworben und wurde in einer kleinen Konditorei in Steglitz angenommen. Dann war ich bei diversen Arbeitgebern tätig – wobei ich nebenbei 2000 erfolgreich meine Konditor-Meisterprüfung ablegte. Das war der Grundstock für meine Selbstständigkeit. Vor 12 Jahren habe ich mich mit „Backschule Charlotte“ selbständig gemacht.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den „Kleinen“ in den Berufe-Stunden gemacht?

Mir ist aufgefallen, dass Kinder im Grundschulalter offen für Neues und Kreatives sind. Man kann sie noch begeistern. Eigentlich ein Traum! Sie jammern nicht und sind nicht überfordert, weil sie einen großen Klumpen Teig verarbeiten sollen. Nein! Die machen es einfach und haben ihren Spaß dabei. Und ich auch.

Sie stellen auch weitaus mehr Fragen, als die älteren Schüler*innen. Ein gutes Alter, um sie abzuholen und dabei auch ein Auge auf die Schüchternen, die Träumerchen und Unkonzentrierten zu haben.

Ganz anders natürlich die Kinder in der Pubertät. Eigentlich sehr unglücklich, dass gerade in dieser Zeit die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Aber wenn man die Kinder schon früh motiviert und sie an Berufe heranführt, kann das auch anders laufen.

Wie sehen Sie das Thema „Frauen im Handwerk“? Was sind Ihre Erfahrungen, sich als Frau in der Welt des Handwerks und der Handwerker zu bewegen?

Die Zeiten haben sich im Beruf Konditor*in geändert. Vor ca. 40 Jahren war der Beruf klar männerlastig, da er körperlich sehr anstrengend ist. Bitte nicht falsch verstehen – vieles ist in dem Beruf leichter geworden, aber körperlich anstrengend ist die Arbeit schon noch! Als ich vor 20 Jahren den Beruf lernte, gab es gleich viele Männer wie Frauen. Heute sehe ich bei den Prüfungen, dass er eindeutig frauenlastiger geworden ist.

Ist Ihr Engagement bei Berliner Schulpate Teil Ihrer Strategie zur Nachwuchs-Akquise?

Ja, auf jeden Fall. Wissen Sie, ich habe neulich eine Zahl gehört: Laut Zentralverband des Handwerks (Kennzahlen von 2019) sind nur 12% aller Erwerbstätigen im Handwerk tätig! Das finde ich reichlich wenig.

Und weil es eben nur 12% Handwerker*innen gibt, und die wenigen hier vieles am Laufen halten, ist es so extrem wichtig, dass man das Handwerk – sein Handwerk – unterstützt, es aufrechterhält und selbst etwas dafür tut.

Ich dürfte als Konditormeisterin zwar ausbilden, aber mein Konzept in meiner Backschule bietet keinen typischen Konditor-Ablauf, und ist daher für Ausbildung nicht geeignet. Also engagiere ich mich anders und kümmere mich um den Nachwuchs, indem ich im Rahmen des Programms von Berliner Schulpate Berufe-Stunden mitgestalte und Gesell*innenprüfungen abnehme. Das ist mein Engagement.

Sie als unsere „Botschafterin“ heute, was denken Sie, braucht Berlin, damit es mit dem „Nachwuchs“ klappt, Azubis sich für einen Beruf interessieren und eine Ausbildung erfolgreich abschließen können?

Den Schulen werden zurzeit Digitalisierungsmaßnahmen finanziert, was gut und wichtig ist. Wenn wir aber Nachwuchs im Handwerk, also Praktiker brauchen, ist es genauso wichtig, dass in den Schulen mehr in die Motorik, in das motorische Geschick der Kinder investiert wird. Das kommt aus meiner Sicht zu kurz. Es gibt zwar das Fach WAT – Wirtschaft-Arbeit-Technik, aber das führt nicht dazu, dass die Kinder motorisch gefördert oder gefordert werden. Mich besuchen manchmal Neuntklässler*innen in meiner Backschule und wir backen und gestalten etwas zusammen. Ich kann Ihnen sagen, dass viele von ihnen motorische Analphabet*innen sind! Das kann ich leider nicht anders sagen. Also: wir sollten bei all der Digitalisierung die Arbeit mit den Händen, die Handarbeit nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten, angefangen in der Kita, unsere Kinder dazu motivieren und sie darin stärken, ihre Hände zu gebrauchen und mit ihren Händen, was auch immer, zu gestalten. Wir sollten ihnen etwas zutrauen und ihnen auch mal Werkzeug in die Hand geben und die Handhabung erklären. Dann klappt´s auch mit dem Nachwuchs im Handwerk. Glaube ich jedenfalls.

 

1995 begann Beate Schulz ihre Ausbildung zur Konditorin. Seit 2000 ist sie Konditormeisterin und seit 2014 Mitglied im Prüfungsausschuss der Konditoren-Innung in Berlin. Bereits 2008 eröffnete sie die „Backschule Charlotte“ in Charlottenburg. Seither kreiert sie dort köstliche süße Kunstwerke, gibt Backkurse für Kinder und Erwachsene und führt Backevents durch.

Das Interview führte Petra Wermke von Berliner Schulpate.